Martin Eichner
, 1991
In 1. Deutscher Kongress für Infektions- und Tropenmedizin, Berlin.
S. 308
Institut für Medizinische
Biometrie der Universität Tübingen
Die WHO hat beschlossen, Polio bis zum Jahr 2000 global auszurotten. Verschiedene Strategien sollen auf ihre Fähigkeit hin untersucht werden, das gesteckte Ziel der Ausrottung innerhalb des geplanten Zeitraumes zu erreichen.
Verschiedene Impfstrategien werden bezüglich der Reduktion der Poliovirus- Inzidenz verglichen. Die dazu verwendeten Modelle arbeiten mit einer altersstrukturierten Bevölkerung und berücksichtigen die Infektiosität des Polioerregers und des Impfvirus: Das in den meisten Ländern verwendete Lebend-Impfvirus kann von Geimpften durch Ansteckung an Kontaktpersonen weitergegeben werden und breitet sich so selbständig in der Bevölkerung aus.
Um das Virus in einer Bevölkerung zu eliminieren oder eine erreichte Elimination aufrechtzuerhalten, muß eine kritische Durchimpfungsrate überschritten werden. Nur Bevölkerungsteile mit einem konstanten Impfverhalten können eine Elimination herbeiführen, während solche, deren Impfverhalten von der vorherrschenden Polioinzidenz abhängt, nicht ursächlich zu einer Elimination beitragen und sogar erreichte Erfolge ernsthaft gefährden können. Verschiedene altersabhängige Impfstrategien können - je nach der epidemiologischen Situation - zu unterschiedlichen Lähmungsinzidenzen führen.
Bei Eliminationsplänen muß die Situation des jeweiligen Landes
berücksichtigt werden, um das Ziel schnell und mit möglichst
wenig Lähmungsfällen zu erreichen. Auch nach einer lokalen Elimination
darf die Durchimpfung nicht unter einen Schwellenwert fallen, solange die
Gefahr der Einschleppung des Erregers besteht.